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I.

Eila ist 34, geschieden, lebt in einer 3,5 Zimmer Wohnung, ist von Beruf Lektorin in einem Verlag für Gesundheitsratgeber, hat einen festen Freundes- und Bekanntenkreis, steht mit beiden Beinen im Leben und beschäftigt sich mit Esoterik, Meditation, Seelen.

Sie hat die Gabe, Menschen in vergangenen Leben zu erkennen, Visionen aus der Vergangenheit ihrer eigenen Leben zu erhalten. Und sie besitzt ein großes Maß an Empathie, die Gabe, Menschen bis ins tiefste Ich zu begreifen und zu erkennen.

Sie glaubt an Schutzengel, das Universum, höhere Mächte, daran dass es ein Schicksal gibt und daran, dass man selber dazu beiträgt.

Meditiert oft mit ihrer Freundin Lea, gemeinsam haben sie unter Trance herausfinden können, warum sie seit Jahren eine starke Verbindung zueinander haben, denn sie lebten bereits mehrere Male zusammen, einmal als gegnerische Krieger in Irland, einmal als Mutter und Tochter um 1836 und vermutlich im 11. Jahrhundert, als Eila ihre 4jährige Tochter Lea hinterließ als sie starb.

Im jetzigen Leben sind sie seit vielen Jahren enge Freundinnen, teilen Schmerz und Freude miteinander, können streiten und lachen und sich gegenseitig wieder aufrichten.

Oftmals verbringen sie ganze Wochenenden miteinander, meditieren, reden, diskutieren.

 

An einem dieser Wochenenden sind sie bei Eila, beide kurz vor dem Einschlafen, als Eila plötzlich das Gefühl hat, dass eine Präsenz im Raum ist, während sich genau in diesem Moment Lea aufrichtet und sagt: „Da ist noch jemand!“

Eila ist fassungslos: „Ich habe gerade genau dasselbe gespürt oder gedacht, da ist etwas.“

„Ja, definitiv. Es ist gut. Aber ich glaube, es hat mir dir zu tun?!“

„Mit mir? Ich finde das ein bisschen gruselig gerade…..“ Eila hat Gänsehaut.

„Marius…“ flüstert Lea.

„Nein.“ widerspricht Eila. „Nicht Marius. Das stimmt nicht. Aber so ähnlich.“

Eine Weile liegen die beiden Frauen im Dunklen und spüren der Präsenz nach bis sie verschwindet. Lea ist überzeugt davon, dass es eine positive Kraft ist.

 

 

Einige Tage danach wird Eila nachts wach. Sie ist allein in ihrem Schlafzimmer, liegt auf der Seite und spürt wieder die Präsenz.

Darius erscheint ihn ihrem Kopf.

Sie hat das Gefühl, als liege jemand hinter ihr, als beschütze sie jemand. Die Unsicherheit oder Angst vom Wochenende ist wie weggeblasen. Sie fühlt sich sicher und geborgen und schläft mit einem Lächeln wieder ein.

 

Am nächsten Tag telefoniert sie von der Arbeit aus mit Lea und erzählt ihr von der Nacht.

„Ich hatte doch gleich das Gefühl, dass es um dich geht.“ sagt Lea. „Er ist bestimmt dein Engel oder dein Beschützer, jedenfalls ist er dir wohlgesonnen. Aber nachdem du daran gezweifelt hast, hat er sich sicher deswegen zurückgezogen.“

„Aber warum jetzt?“ fragt sich Eila.

„Ich glaube nicht, dass er erst jetzt zu dir gehört, ich denke, er begleitet dich schon dein Leben lang.“

„Und warum spüre ich ihn erst jetzt?“

„Vielleicht weil du wieder zu dir zurückkehrst, zu deinen Gaben und Möglichkeiten?“ sinniert Lea.

„Aber das mache ich inzwischen auch schon wieder seit fast zwei Jahren – warum also zu diesem Zeitpunkt?“

Lea kontert mit ihrer üblichen Antwort: „Du wirst es herausfinden!“

Genervt verabschiedet sich Eila von ihrer Freundin und widmet sich wieder ihrer Arbeit.

Auf dem Heimweg hat sie im Auto plötzlich das Gefühl, dass die Präsenz wieder da ist, sie nach Hause begleitet, dort hört das Gefühl wieder auf.

Sie ist später als sonst daheim, durch die Anwesenheit von Darius verwirrt, ist sie einmal falsch abgebogen und so einen Umweg gefahren.

Eila duscht und macht sich dann ihr Abendessen zurecht, währenddessen hört sie im Radio, dass auf ihrem sonst üblichen Heimweg ein schwerer Unfall passiert ist.

Ihre Hand, die gerade den Reis umrührend wollte, verharrt über dem Topf. Sie ist wie versteinert.

Sie murmelt ein leises Danke.

 

 

 

II.

Abends liegt Eila wieder einmal schlaflos in ihrem Bett und grübelt über Darius als sie ihn plötzlich neben sich spürt. Als sie die Augen öffnet, nimmt sie schwache Umrisse eines Körpers neben sich wahr. Sie schreckt hoch und blinzelt mehrmals als ob sie das vermeintliche Trugbild auf diese Weise verscheuchen könnte. Ihr stockt der Atem und ihr Herz klopft schnell und hart gegen ihre Rippen. Wie hypnotisiert schaut Eila in ein Gesicht, das sie ruhig und abwartend beobachtet. Da ist eine Lichtgestalt in ihrem Bett, die Umrisse eines menschlichen, männlichen Körpers, zarte Umrisse, mehr eine Ahnung als eine Tatsache, ein schwaches Licht geht davon aus. Sie spürt die Präsenz der Erscheinung, aber anders als man einen menschlichen Körper wahrnimmt.

Hab keine Angst klingt es in ihrem Kopf.

„W…was passiert hier?“

Anscheinend kannst du mich sehen? fragt die Stimme in ihrem Kopf.

„J… ja, nein, ich… weiß nicht…“

Du schaust mir direkt in die Augen, du musst mich sehen.

„Ich glaube, ich drehe durch.“ Eila wendet sich ab, um ihre Nachttischlampe anzuschalten, sie dreht sich langsam um und sieht immer noch die Umrisse eines Körpers, nun auf ihrem Bett sitzend. „Was ist das?“

Unglaublich? fragt die Stimme verunsichert. Die Erscheinung lächelt ebenso unsicher dazu.

„Wer bist du? WAS bist du?“ fragt Eila. „Und was machst du hier? In meinem Bett? Warum höre ich dich in meinem Kopf?“

Ich bin Darius, du kennst mich. Ich bin dein Beschützer, du kommunizierst doch schon eine Weile mit mir. Bisher habe ich dir nur keine Antwort geben können so wie jetzt.

„Das kann nicht sein!“ Eila rauft sich die Haare, „Das gibt es doch nicht?! Ich… es ist ja nicht so, dass ich nicht an sowas glaube, aber es … ich kann dich SEHEN!!!!!!!!“ Eila macht große Augen. „Ich meine, ich sehe dich nicht wie einen Menschen, aber ich sehe deine Umrisse, ich sehe dein Gesicht, du hast einen Körper – es ist… wie geht das?“

Sag du es mir. Ich habe keine Ahnung. Ich hatte allerdings auch noch niemals einen derartigen engen Kontakt zu einem anderen Schützling. Vielleicht kommt es dadurch? Du hast mich gespürt, akzeptiert und mich zu einem Teil deines Lebens gemacht.

„Ja, sicher, weil es dich gibt – aber doch nicht SO! Ich verstehe nichts mehr. Ihr seid doch formlos, ohne Hülle, nicht sichtbar. Moment mal,“ unterbricht sie sich selbst, „was sagst du da überhaupt? Hast du noch mehr Schützlinge?“

Nein, ich habe immer nur einen, dein ganzes jetziges Leben lang schon dich. Aber vorher habe ich eine andere Seele beschützt. Und davor andere.

„Mein g… ganzes Leben lang?“ Eila versucht innerhalb von Sekunden über ihr Leben nachzudenken und wird von Darius unterbrochen.

Ja, dein ganzes Leben lang, ich kenne alles von dir – und auch deine Gedanken, deine Sorgen, deine unausgesprochenen Wünsche – alles. Es bringt nichts, dass du jetzt darüber nachdenkst, was ich alles von dir weiß. Es ist einfach alles, ich weiß einfach alles.

„Du liest meine Gedanken?“ schießt es aus Eila raus und sie wird rot.

Ja, alles.

„Oh mein Gott!“

Das muss dir nicht peinlich sein, normalerweise wüsstest du das ja gar nicht.

„Hat jeder Mensch einen Beschützer?“

Ja, jeder – und bevor du die nächste Frage laut stellst – ja, auch jeder Beschützer kennt alles von seinem Schützling. Du musst auch nicht laut mit mir kommunizieren, wir können uns auch in deinem Kopf unterhalten – aber ich nehme an, es ist dir leichter, wenn du mit mir redest?

„Ich hab schon genug Chaos, das verwirrt mich gerade einfach zu sehr. Ich muss nachdenken.“

Das tust du doch schon die ganze Zeit während unseres Gesprächs. Eila spürt sein Lachen. Es ist unglaublich, auf wie vielen Ebenen gleichzeitig du denken kannst. – Oh nein, beantwortet Darius Eilas nächste unausgesprochene Frage, ich war nie ein Mensch, ich war schon immer ein Beschützer.

„Hör auf, in meinem Kopf zu lesen, das macht mich verrückt.“ Eila schüttelt den Kopf. „Ich dachte immer, dass Beschützer oder Engel oder wie auch immer mal gelebt haben….“

… aber eigentlich hast du dir nie wirklich genau darüber Gedanken gemacht, beendet Darius ihren Satz.

„Lass das.“

Entschuldige. Ich finde es gerade mindestens ebenso verwirrend und spannend wie du.

„Also von vorne. Du bist ein Beschützer… -geist, -engel? Du hast nie als Mensch gelebt, du beschützt Menschen ihr Leben lang, aber immer nur einen, nie mehrere gleichzeitig und du weißt immer alles von deinem Schützling?“

Ja. Beschützer trifft es, Geist bin ich nicht und Engel trifft es auch nicht.

„Wie alt bist du?“ fragt Eila.

Alter ist relativ. Da ich nicht altere, zähle ich keine Jahre.

„Seit wann beschützt du?“

Seit ich da bin.

„Seit wann bist du da?“
Schon immer.

„Darius, willst du mich wahnsinnig machen?“

Nein, er lacht, obwohl das manchmal wirklich schnell passiert bei dir. Er zwinkert ihr zu und Eila schüttelt den Kopf. Sie sitzt mit einem körperlichen Umriss auf ihrem Bett, der sich mit ihr in ihrem Kopf unterhält und ihr auch noch frech zuzwinkert.
Als Darius lacht, wird ihr bewusst, dass er diesen Gedankengang natürlich auch mitbekommen hat. Darius nickt und lacht wieder.

„Raus aus meinem Kopf.“ schimpft sie.

Entschuldige, du bist wirklich mein interessantester Schützling.

„Na danke für das Kompliment. Zurück zu meiner Frage: seit wann bist du da?“

Sagen wir mal so, ich habe bereits einige Seelen beschützt durch die Jahrtausende. Mehr musst du nicht wissen, darfst und sollst du nicht wissen.

„Hm. Wäre es möglich, dass du mich schon einmal beschützt hast?“

Ja, das wäre möglich.

„Würdest du das wissen, wenn es so wäre?“

Was du dir für Gedanken machst. Ja, das würde ich natürlich wissen.

„Und?“

Und was?

„Ist es so?“

Sag du es mir.

Eila setzt zu einer Antwort an, aber bevor sie etwas sagen kann, hört sie Darius in ihrem Kopf: Wenn du es weißt, dann sag es mir. Du wirst es herausfinden. Du musst nicht blöffen, um von mir eine Antwort zu bekommen, ich weiß, wann du blöffst. Irgendwann wirst du es einfach wissen.

Eila verschränkt trotzig die Arme und fühlt sich ertappt.

Darius lacht. Geduld war noch nie deine besondere Stärke, Trotzkopf, auch wenn du in den letzten Jahren Fortschritte gemacht hast, manchmal möchtest du immer noch alles gleich und sofort.

„Es ist ekelhaft, dass du mich so genau kennst. Und noch schlimmer, dass ich nichts über dich weiß!“

Es ist bloß neu für dich, dass mal jemand dich so genau kennt – sonst ist es andersrum; mit deiner Empathie begreifst du Menschen immer sehr schnell bis in die tiefsten Schichten ihres Ichs, manchmal begreifst du sie sogar tiefgründiger als sie sich selber. Aber niemals kam jemand so tief in dein Ich hinein. Und du weißt schon genug über mich, es gibt nicht wirklich viel mehr.

„Oh, das glaube ich nicht, es gibt ….“ widerspricht Eila.

Nein, unterbricht Darius sie, du musst nicht alles wissen. Du fragst zu viel, dein Wissensdurst ist unglaublich, aber manche Dinge sind nicht dafür gedacht, dass Menschen sie kennen. Und du bist schon auserwählt, weil du mich siehst und weil wir beidseitig kommunizieren können. Verlang nicht zu viel, Eila, zu viel Wissen ist nicht gut.

„Ich hab Angst, dass….“ setzt sie an.

Ich gehe nicht weg, beruhigt Darius, ich verschwinde nicht, ich bin an dich gebunden – oder du an mich, wie man es sehen möchte, solange du lebst. Und da wir nun schon auf diese Weise kommunizieren können, wird uns das auch weiterhin bleiben. Du solltest jetzt schlafen, es ist spät.

„Und du?“ gähnt Eila und legt sich zurück auf ihr Kissen.

Ich werde über deinen Schlaf wachen, wie es meine Aufgabe ist zwinkert Darius.

„Und wenn ich aufwache, bist du wer weiß wo und ich bleibe mit meinen Fragen zurück.“ murmelt Eila im Einschlafen.

Ich bin immer um dich herum, Eila, schlaf jetzt.

 

 

 

III.

Am nächsten Morgen erwacht sie spät und nachdem ihr alles wieder in den Sinn kommt, schreckt sie hoch und fragt sich, ob das nur ein seltsamer Traum gewesen war.

Nein, Eila. Das war kein Traum und das weißt du auch.

„Wo bist du?“

Immer bei dir. Auch wenn du mich nicht siehst.

„Aber warum sehe ich dich nicht?“

Uff, du bist hartnäckig. Eila sieht nun seine Umrisse auf ihrem Bett sitzen. Zufrieden?

„Wie machst du das?“

Ich mache es  nicht alleine, es ist dein Wunsch. Es sind wir beide.

„Wow. Klingt kompliziert.“

Immerhin hast du nun Gewissheit, dass du mich weiterhin siehst und mit mir sprechen kannst.

Eila grinst. „Manchmal kriege ich gerne, was ich will.“

Spiel nicht mit höheren Mächten.

„Käme mir nie in den Sinn,“ meint sie ernst, „dennoch, du bist mein Beschützer und ich kann dich sehen und hören. Und da ich das nun einmal erleben durfte, möchte ich da auch nicht mehr drauf verzichten. Dafür, dass du alles von mir kennst, was unglaublich peinlich ist, muss ich ja auch irgendeinen kleinen „Nutzen“ aus der Sache ziehen dürfen.“

Du warst, bist und bleibst eine Hexe.

„Interessante Aussage, nachdem du mir gestern auf meine Frage ausgewichen bist, ob du mich schon einmal beschützt hast.“

Du solltest deinen Alltag über mir nicht vergessen.

„Und du solltest nicht vom Thema ablenken.“ grinst Eila, schnappt sich ihre Kleidung und geht ins Bad.

Freches Stück weht ihr hinterher.

„Bleib aus dem Bad.“ gibt sie zurück.

Ich weiß ….

„Ich weiß, dass du alles über mich weißt, aber ich bitte dich trotzdem drum.“ ruft sie, bevor sie die Türe schließt.

Schon gut.

Eila fragt sich, ob sie eigentlich völlig bekloppt geworden ist, dass sie das alles einfach so hinnimmt und so flapsig mit der Stimme in ihrem Kopf redet. Stimme im Kopf. Sie schüttelt denselben ungläubig und hört in ihm das Lachen von Darius.

 

Später sitzt Eila an ihrem Esstisch beim Frühstück und sinniert über Darius. Gleichzeitig findet sie es befremdlich zu wissen, dass er das sozusagen live mitbekommt. Sie möchte mit Lea darüber sprechen. In diesem Gedankengang bekommt sie eine ungute Schwingung mit.

„Darius?“

Ja?

„Was ist?“

Lea…. keine gute Idee, mit ihr darüber zu sprechen.

„Warum?“

Diese Erfahrung ist nur für dich.

„Oh püh, das ist aber kompliziert. Komplizierter als ich dachte.“

Ich habe nicht behauptet, dass es einfach ist.

„Ich habe eine Frage.“
Nicht nur eine. Eila grinst. „Natürlich nicht nur eine, aber eine, die mich jetzt gerade besonders interessiert. Du bekommst immer alles mit was ich denke? Also genau in dem Moment, wenn ich es denke?“

Ja und nein, manchmal bin ich mit etwas anderem beschäftigt, das dich und dein Leben betrifft und dann bekomme ich nicht exakt im einzelnen mit, was du denkst, aber ich kann es im nachinein abrufen.

„Aha,“ Eila grübelt. „Vermutlich soll ich da nun auch nicht weiter nachfragen?“

Du verstehst schnell.

„Und wieso kannst du das?“
Weil ich es brauche, um dich zu beschützen. Wir haben eine Verbindung zueinander aus diesem Grund.

„Aber ich kann nicht deine Gedanken lesen. Warum?“

Ich nehme an, weil du mein Schützling bist und ich der Beschützer, es ist für dich nicht notwendig, meine Gedanken zu kennen. Außerdem wüsstest du zu viel, wenn du in mir lesen könntest wie ich in dir. Wissen, das dir nicht zugänglich sein darf.

„Aber wie funktioniert es dann, dass du mit mir kommunizierst in meinem Kopf?“
Indem ich mich bei dir im Kopf einschalte.

„Das heißt, unsere Gespräche finden in meinem Kopf statt, nicht in deinem.“
So in der Art.

„Was wiederum bedeutet, dass ich Stimmen in meinem Kopf höre, die nicht real sind, also bin ich verrückt.“

Ich bin nicht real?

„Ich sehe dich nicht, also bist du nicht real.“ Auf dem Stuhl gegenüber von Eila erscheinen die Umrisse von Darius. Eila lacht. „Gut, ich sehe dich, aber ich kann dich nicht anfassen.“

Tja, dann bist du also tatsächlich verrückt. Darius grinst.

„Was passiert, wenn ich versuchen würde, dich zu berühren?“

Willst du es versuchen?

„Ich weiß nicht.“ Eila zögert. „Ich hab, glaub ich, irgendwie Angst davor.“

Kann ich verstehen.

„Vielleicht irgendwann mal….. so mit 80.“ lacht Eila und beginnt den Tisch abzuräumen.

Eila….?

„Ja?“

Auch wenn das alles neu und interessant und spannend ist und du tausend Fragen hast und am liebsten mit Lea darüber sprechen möchtest….

„Du hast doch schon gesagt, ich soll nicht mit ihr darüber reden. Habs verstanden.“

Ich weiß. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass ich nicht zu deiner Unterhaltung da bin. Du sollst dein Leben leben, ganz normal. Die Tatsache, dass es mich gibt und dass du mich siehst und hörst, soll dich nicht davon abhalten. Nutz es nicht aus bitte. Leb so, wie du leben würdest, wenn es mich nicht gäbe für dich.

„Das wird schwierig werden, denn es gibt dich eben und ich weiß es nun mal. Aber ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Ich werde versuchen, dich überwiegend zu ignorieren.“ verspricht Eila. „Und ich fange gleich damit an, ich müsste eigentlich schon längst bei der Arbeit sein, Gott sei Dank hab ich Gleitzeit.“

Sie winkt ihm nochmal zu, seine Umrisse werden heller und er verschwindet aus ihrer Sicht.

Schönen Tag schwingt es hinter ihr her als sie aus ihrer Wohnung geht.

 

 

Auf der Arbeit hat Eila keine Zeit, sich weitere Gedanken zu machen um Darius und seine Geheimnisse. Kurz vor dem Mittag ruft Lea an und fragt, ob sie zusammen essen wollen, Lea arbeitet 10 Minuten von ihr entfernt in einer Praxis für Lebensberatung.

Eila überlegt kurz und sagt zu, obwohl ihr etwas flau ist im Magen, sie weiß nicht, wie sie Lea gegenübertreten soll mit ihren Erlebnissen der letzten Stunden.

Sie treffen sich in ihrem Lieblingsbistro.

„Hallo Süße.“ begrüßt Lea sie fröhlich, „Alles im Lot bei dir?“

„Hi, nein, ja, alles gut, ich hab Hunger wie ein Bär, lass uns gleich bestellen.“ reagiert Eila etwas konfus und erntet dafür einen schiefen Blick von ihrer Freundin.

„Was ist los? Du wirkst etwas durcheinander.“ stellt sie dann auch gleich fest.

„Stress im Geschäft.“ weicht Eila aus. „Was gibt’s neues bei dir?“

„Ach eigntlich nichts, aber du, ich hab eine neue Klientin, die…..“ beginnt Lea zu erzählen, Eila bekommt nur die Hälfte mit und versinkt in ihren Gedanken.

„..und dann meint sie, sie habe das schon hundertmal…. aber sag mal, du hörst mir ja gar nicht zu! Eila?“

„Was? Oh entschuldige, ich bin heute wirklich ziemlich zerstreut.“ erklärt Eila zerknirscht. Sie hat tatsächlich gar nichts mitbekommen.

„Mit dir stimmt doch irgendwas nicht.“ mutmaßt Lea und schaut ihr prüfend ins Gesicht. „Und fasel jetzt nicht wieder was von Arbeit. Ich kenne dich seit so vielen Jahren. Ich weiß, wenn etwas nicht stimmt.“

Eila wird rot. „Ich kann nicht, bitte, Lea, frag nicht.“

„Kann ich irgendwas für dich tun, außer nicht zu fragen, was los ist?“

„Nein, es ist auch nichts schlimmes, es ist etwas gutes, aber sehr wunderlich irgendwie.“

„Ok, das macht mich zwar neugierig, aber ich frage nicht, vielleicht kannst du es mir ja irgendwann mal erklären.“

„Das wäre schön, aber ich weiß es einfach nicht!“ Eila schüttelt bekümmert den Kopf.

Lea nimmt ihre Hand. „Kommt Zeit, kommt Rat, Maus.“

 

Eila hört ein leises Danke in ihrem Kopf, ich weiß, dass das schwer war.

Sie atmet tief durch und versucht nicht weiter darüber nachzudenken, konzentriert sich stattdessen auf das weitere Gespräch mit Lea, dem sie nun folgen kann.

 

Die Arbeit hält Eila den restlichen Tag davon ab, sich weitere Gedanken über Darius zu machen – oder darüber, wie sie in Zukunft mit Lea umgehen soll, sie fühlt sich unwohl dabei, ihrer besten Freundin Dinge vorzuenthalten, die gerade einen derart großen Platz in ihrem Denken und Leben einnehmen. Dies alles stellt sie zurück, indem sie sich bewusst und konzentriert ihrer Arbeit widmet.

Als sie zuhause ankommt, duscht Eila und setzt sich dann mit etwas Brot, Käse und Weintrauben gemütlich vor den Fernseher. Nach einer Weile schaltet sie entnervt aus, sie kann sich nicht konzentrieren.

„Darius?“ ruft sie leise und schon erscheint seine Silhouette neben ihr auf dem Sofa. Er grinst sie an.

Langeweile?

„Eher konzentrationslos.“ entgegnet sie. „Ich grüble ständig über dich nach.“

Das solltest du aber nicht.

„Ich weiß. Ich kann es aber nun mal nicht ändern…“

Du willst es nicht ändern unterbricht er sie.

„Möglich. Darius, warum jetzt? Warum spüre ich dich jetzt, und warum nich schon vor einem Jahr oder vorher?“ fragt sie.

Ich nehme an, weil du noch nicht bereit warst dafür.

„Aber warum so deutlich?“

Weil du es kannst.

„Das ist eine blöde Antwort.“ schimpft Eila ärgerlich.

Aber die einizge, die ich dir geben kann.

Eila versinkt in dumpfes Brüten. Darius schweigt.

Nach einer Weile meint er Eila, ernsthaft, den Menschen

wird immer nur so viel zugemutet wie sie ertragen können – oder so viel wie sie zu begreifen in der Lage sind.

Du hast vor vielen Jahren als 16jährige deine Gabe verdrängt und seither als reiner Verstandesmensch gelebt, jegliche Möglichkeiten, die einer Situation wie dieser auch nur im Ansatz ähnelten, für absolut hirnverbrannt erklärt. Erst seit zwei Jahren bist du wieder auf dem Weg, deine Fähigkeiten zuzulassen.

„Und in den zwei Jahren?“ begehrt Eila auf.

Sagen wir es mal schulisch – du hattest noch nicht die Hochschulreife erlangt. Darius lächelt sie an.

„Na toll.“ beleidigt verschränkt Eila die Arme.

Trotzköpfchen.

Genervt, weil Darius damit Recht hat, schaltet sie wieder den Fernseher ein.                                                                       

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©Katja Heinrich